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Spuren der Zivilisation

Wer als Naturfotograf hinaus ins Grüne zieht, hat ein klares Ziel vor Augen: Die schöne, unberührte Natur mit all ihrer Kraft und Stärke festzuhalten. Das reine, klare und in sich vollkommene Wesen von Mutter Natur soll am Foto noch für den Betrachter spürbar sein.

Die Perfektion in der Abbildung soll auf die Perfektion und Vollkommenheit der Natur treffen und so im Zusammenspiel letztendlich das „perfekte Foto“ abliefern. 

Soweit so schön – doch jeder Fotograf, der sich dieses Ziel gesetzt hat, kennt das Problem wohl all zu gut: Egal wohin man sein Objektiv auch ausrichtet, immer wieder gibt es „Spuren der Zivilisation“, welche nicht ganz im Einklang mit dem Zielbild zu bringen sind. Zwar lassen sich vielleicht noch alte Burgen oder Schlösser ganz gut in die Bildgestaltung einbauen, jedoch ist nicht jede vom Menschen in der Natur hinterlassene Handschrift ein so harmonischer Bildbestandteil des Gesamtwerks.

Was also tun? Richtig, typischerweise ändert man den Betrachtungswinkel dann so, dass das unerwünschte Objekt „ausgeblendet“ wird. Ist dies nicht möglich, dann hat der Fotograf von heute ja genügend „digitale Möglichkeiten“ um sich dem „Störefried“ anzunehmen – zum Beispiel durch Beschneiden des Fotos oder gleich mittels „Stempel-Funktion“ des Bildbearbeitungsprogramms.

Als es auch mich heute wieder ins verschneite Grüne zog um atemberaubende Naturaufnahmen zu machen, fing ich zuerst ebenfalls an, gewisse Dinge absichtlich auszublenden: Weggeworfene Müllreste, Graffiti, störende Strommasten und grellgelb leuchtende Wegweiser.

Während ich also schön brav die Regeln der perfekten Bildkomposition versuchte zu meistern, fiel mir schon nach wenigen Minuten negativ auf, dass ich verdammt viele Dinge „ausblenden“ musste. Irgendwann fragte ich mich, was ich eigentlich mache? Nun, die Antwort war ja recht einfach: das perfekte Naturfoto, welches die ganze Schönheit und Vollkommenheit des grünen Paradieses zeigte – oder anders formuliert: ich belüge mich selbst, indem ich mittels geschickt gewählten Blickwinkel, Unschärfe und Bildbearbeitung die Realität zu einem verklärten Garten Eden umbiege.

Wie also damit ungehen? Wenn ich das Panorama-Foto der Alpen mit Schilift-Mast veröffentliche, ist sicher einer der ersten Kommentare, dass man das beim nächsten Mal hätte „besser“ machen können, indem man den Masten nicht am Foto hat. Genauso, wie dass man das Luftkabel hätte rausstempeln können, oder den gelben Miststack, welcher am Rande des Bildes im unberührten Alpensee schwimmt.

… und ich sage gleich dazu: wer immer diesen Kommentar geschrieben hätte, dem sei gesagt: Er hat verdammt nochmal RECHT!

Aber wie jetzt? Selbstlüge auf Kosten der Wahrheit? Wollen wir tatsächlich die Augen vor der Realität verschließen? Quasi uns eine heile Welt vorgaukeln und die unschönen Dinge ausblenden, als wären sie nicht vorhanden?

Genau diese Frage beschäftigte mich – und mein Ansatz ist jetzt jener: Ich werde weiterhin schöne, perfekte Naturfotos abliefern, so wie sie sein sollen, so wie es das Auge gerne sehen möchte. ABER:  mit meiner neuen Serie „Spuren der Zivilisation“ möchte ich GLEICHWERTIG auch jene Dinge in den Blickwinkel des Betrachters bringen, welche bisher gerne ausgeblendet wurden.

Die Serie bekommt ein entsprechendes „Tag“ verpasst und eigene Blog-Einträge gewidmet, während die Naturfotografie an sich weiterhin das schöne, angenehme fürs Auge zeigt, welches wir ja ehrlicherweise lieber sehen wollen.

Umgekehrt hat sich auch gezeigt: manche „Spuren der Zivlisation“, welche bisher „ignoriert“ wurden, können durchaus interessant in Szene gesetzt werden  – zum Beispiel die Bierdose mit Käfer oder auch sehr skurril: Der „Baum-Briefkasten“, mitten im Wald, extra mit Neon-Spray umrandet.

Ich hoffe euch gefällt meine neue Serie – Feedback und Kritik sind natürlich jederzeit Willkommen. Mal sehen, ob jemand den gesamten Artikel gelesen hat 😉

 

Zynismus im Wald – Gerade Gösser wirbt im TV und Internet mit der unberührten, schönen Natur. Im Helenental liegt eine weggeworfene, verrostete Gösser-Dose mitten im Wald, Heimat eines Ohrwurmes. 😉

Baummpost

Dieser Briefkasten ist mitten am Wanderweg montiert und gehört vermutlich zum „Jägerhaus“, welches per Wegweiser angeschrieben ist. Wäre das nicht schon skurill genug, ist es auch  noch mit Neonfarben „umrandet“ und generell sehr „liebevoll“ am Baum montiert worden. Ein passendes Motiv für „Spuren der Zivilisation“ – besser gehts nicht 😉

Tree Tattoo

Bisher immer versucht ihn auszublenden, dachte ich mir dieses Mal: Dieser Baum verdient es, einmal im Mittelpunkt zu stehen. Dies tut er zwar auch im wahren Leben, doch hat es ihm nur Narben gebracht: Er steht nämlich direkt am Haupteingang der Burg Rauhenstein,  wo er sich prima dafür angeboten hat, damit sich „Mensch“ auf (Baum-)Lebenszeit verewigen kann..

10 Kommentare
  1. Alex
    Alex sagte:

    Hallo Michael,

    ja, ich habe den Artikel ganz gelesen 😉

    Die Idee find‘ ich gut. Klar gehört der „Müll“ der Zivilisation nicht in ein tolles Landschaftsfoto, aber so auf diesem Weg mal zu zeigen, was der Mensch alles „verbricht“ gefällt mir. Wie du schon schreibst, müssen das dann ja keine abstoßenden Fotos sein…

    Ich bin schon auf weitere Beiträge zu dieser Serie gespannt!

    Gruß,
    Alex

  2. Jürgen
    Jürgen sagte:

    Hallo Michael,

    Die Dose im Schnee sieht unglaublich gut aus. Die stimmt so ziemlich alles, vor allem aber die Stimmung.

    Toll

  3. Mathilda
    Mathilda sagte:

    Ach ich habe deinen ganzen Artikel gelesen und freue mich über so viel Ehrlichkeit, denn es macht mir oft genug schon Schwierigkeiten, unerwünschtes wegzustempeln, zumal ich gar nicht das geeignete Programm dazu habe.
    Natürlich mag ich es auch perfekt, das geht dann aber eher mit Blumen, die man zuhause hat und sind auch mehr oder weniger Probierfotos, aber ich habe absolut nichts dagegen, das, was man auch sonst noch alles in der Natur findet.
    Schön, dass man die Fotos größer klicken kann, so konnte ich den Käfer auf der Dose sehen und….es gefällt mir.

    Liebe Grüße zu dir von Mathilda 🙂

  4. Marina
    Marina sagte:

    es gibt Seiten, bei denen schaue ich nur kurz die Bilder an, das geschriebene lese ich nicht, sag ich jetzt mal ganz ehrlich.
    Aber Deine Artikel „fesseln“ zumindest mich. Auch ich habe den ganzen Artikel schön langsam durchgelesen.
    Ich persönlich finde es schade, dass manche Bilder so „auseinader“ genommen werden. Vonwegen Strommasten, Wegweisschilder usw. Manchmal stört mich so ein Objekt in einem Bild, manchmal aber auch nicht. Und Du zeigst hier ganz toll, dass auch eine arglos weggeworfene Büchse im Wald ein tolles Sujet sein kann. Imerhin bietet sie dem „Krabbelviechern“ ein neues zu Hause.
    Der Briefkasten allerdings finde ich schon heftig, nicht nur, dass er aussieht alsob ihn jemand aufgebrochen hat, nein auch noch mit Spray eine Neon linie drumherum :-(. Nicht schön. !

    Gruss Marina

  5. Michael
    Michael sagte:

    Vielen Dank für das positive Feedback – freut mich, dass meine Idee so gut ankommt 🙂

    Demnächst folgen weitere Bilder – und das ein oder andere skurille Foto hab ich sicher auch noch irgendwo im Archiv rumliegen. 😉

    lg Michael

  6. Rewolve44
    Rewolve44 sagte:

    Ein toller Beitrag und die Fotos sind ja super anzusehen auch wenn es mich auch immer stört geben sie ein tolles Motiv ab.
    Den gelben Mistsack am Rande des Bildes im unberührten Alpensee auf solches Motiv warte ich nur, das wird schonungslos fotografiert schon alleine das man hin und wieder einmal eine Foto Serie machen kann um die Leute anzuprangern die so etwas achtlos wegwerfen.

    Lg,
    Rewolve44

  7. Werner
    Werner sagte:

    Hallo Michael,

    ich habe deinen Artikel erst heute gelesen. Deine Idee ist wirklich wunderbar (und deine Bilder gut) – Ich habe auch eine große Affinität zu Themen dieser Art. – Ich freue mich auf weitere Beiträge dazu. Und ich denke mal drüber nach, was Ähnliches zu machen und mit einem Post auf diesen beitrag hinzuweisen.
    Bärenstark!

    Lg,
    Werner

  8. Heike Ba
    Heike Ba sagte:

    Das Bild mit der Dose ist wirklich toll. Auch dein Artikel regt zum nachdenken an. Ich muss jedoch sagen, dass ich selten etwas rausstempeln muss und auch wenig ausblende, denn meist nehme ich die Dinge wie sie sind. Bei Nahaufnahmen ergibt sich das Problem aber auch nicht so häufig 🙂

    Gruß
    Heike

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  1. […] ein weiterer Beitrag zum Thema “Spuren der Zivilisation” – nachdem ich letztens ja eher negative Beispiele von Spuren der Zivilisation in der Natur gezeigt habe, möchte ich heute […]

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